"Vorsicht beim Einsatz von silent viewing! Schon der Begriff ist fragwürdig (Gibt es ein aloud viewing? Kann man während des HV zeitgleich sprechen? In einer Fremdsprache?). Silent viewing und eine anschließende Produktion in der Zielsprache („Versprachlichung“) haben weder einen direkten Bezug zum HV noch zum HSV oder zum HV-basierten Spracherwerb, denn jede identifizierte Form und ihre Bedeutung ist lernpsychologisch gesehen eine Festigung. Beim Sehen von Filmen ohne Ton (fälschlicherweise „stummes Sehen“ genannt) gibt es aber gar keinen verbalen Code. Geübt wird das Erstellen von inhaltlichen Plausibilitätshypothesen auf der Grundlage visueller Rezeption. Zudem: „Versprachlichung“ verlangt selhstredend Schreiben oder Sprechen. Beide Aktivitäten korrelieren nicht mit dem mentalen Programm, dem HV und HVS zugrunde liegen. Als reines Sehverstehen (also nicht HSV) übt silent viewing allein das intelligente inhaltsgerichtete Raten. Silent viewing könnte demnach auch an Filmen in gänzlich anderen Sprachen, die keine Zielsprachen des Unterrichts sind (wie hier Vietnamesisch, Wolof, Russisch usw.) geübt werden. Die Strategie der Textkonstruktion auf der Grundlage visueller Eindrücke erlaubt den Entwurf inhaltsgerichteter Hypothesen, die im Rahmen von HV-Übungen dann allerdings in bottom up-Prozessen, also sprachdatengeleitet, verifiziert werden müssen. Silent Viewing hat einen Platz als Strategie zur Verbesserung eines sog. warming up oder einer sog. Mind map. Im Rahmen von HSV geht es um die Interpretation eines dargestellten Skripts, in Bezug auf mögliche, zu lernende Sprachformen um die Erstellung eines Handlungs- oder Kommunikationsrahmens, in dem diese Formen vorkommen können. Die Wahrscheinlichkeit, dass solche Formen vorkommen, ist nahezu ausschließlich bei ritualisierter Sprache gegeben (Guten Tag! Alles Gute! Schönen Gruß! Liebe Gemeinde… usw.). Als Strategie zur Überprüfung von produktiver Sprachkompetenz werden silent viewing und Sehvorlagen zur Konstruktion eines (plausiblen) Textes verwendet; z.B. bei Kindern. Geprüft wird sowohl die Fähigkeit der Erstellung eines in sich stringenten Handlungszusammenhangs als auch die der korrekten Versprachlichung. Beide Kompetenzen könnten getrennt bewertet werden." Pananis 2014: 75. Online unter: http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2016/11822/pdf/GiFon_5.pdf

Zuletzt geändert: Mittwoch, 14. Juni 2023, 09:26